Ein Tag in der Geschichtenerfinderwerkstatt
erzählt von Jasmin Assi, Architektin und Pädagogin im KL!CK Kindermuseum.
Es ist Dienstag, 16.30 Uhr. Das Foyer des Kindermuseums füllt sich mit Osdorfer Kindern und Eltern. Acht-, Neun- und Zehnjährige tollen durch das Foyer, drücken sich in die Steckwand, laufen durch den Tasttunnel oder spielen am Kickertisch. Sie warten darauf, von Julia und mir abgeholt zu werden. Heute findet nämlich die Geschichtenerfinderwerkstatt statt. Im Foyer werden wir schnell noch von einer engagierten Mutter angehalten und gebeten, bei ihrem Sohn doch bitte die Rechtschreibfehler in seinen Geschichten zu markieren und ihm am besten sein Geschichtenheft gleich mitzugeben. So könne sie zu Hause mit ihm die markierten Wörter üben. Nun ja, die Geschichtenerfinderwerkstatt ist zwar ein Angebot der ‚Leselibelle‘, (Projekt zur Lese- und Schreibförderung) trotzdem unterscheidet sie sich in ihrem Ansatz von Nachhilfeunterricht. Das und noch viel mehr versuchen wir ihr zu erklären. Einigermaßen zufrieden zieht sie von dannen.
Wir trommeln die Kinder zusammen. Los geht’s! Unten in unserem Verfügungsraum fragen uns schon die Kinder neugierig, worüber heute geschrieben wird. Dafür, dass sie einen langen Tag in der Schule hinter sich haben (Schulschluss: 16 Uhr), sind sie erstaunlich motiviert. Jede Woche kommen sie freiwillig aus purer Lust am Schreiben. Oder ist es das schöne blaue Geschichtenerfinderbuch ihrer Vorgängergruppe, das im Museumsshop ausliegt? Die Kinder erfinden Geschichten, die gesammelt und zu einem Buch zusammengefasst werden. Jedes Kind bekommt ein Buch geschenkt, der Rest wird verkauft. „Können wir über Stars schreiben?“ bekommen wir jetzt von einem Mädchen zu hören. „Oh nein, bitte nicht!“ ertönt es von anderer Seite. Wir lüften das Geheimnis des heutigen Themas. Die Geschichtenwürfel aus der Würfelausstellung sollen an diesem Tag zum Einsatz kommen. Die Kinder werden in Gruppen aufgeteilt, die jeweils drei Würfel erhalten. Jedes Kind innerhalb einer Gruppe schreibt zu den drei gewürfelten Symbolen eine Geschichte. Die Kinder haben 30 Minuten Zeit. Der Startschuss ist gefallen. Was nun zu beobachten ist, spielt sich an jedem Dienstag ab. Gemeint sind die Gesichter und Körperhaltungen der Kinder. Die einen versinken in ihrem Blatt Papier und kritzeln wild drauf los. Andere Kinder sitzen steif da, starren auf ihr Blatt und schlagen das Bleistiftende im Takt auf den Tisch. Man merkt ihnen an: Es rattert in ihren Köpfen. Und dann gibt es noch diejenigen, die mit dem Oberkörper halb auf dem Tisch liegen, den Kopf auf eine Hand gestützt, das Gesicht lang gezogen. Mit der anderen Hand wird der Bleistift hin und hergeschoben. Auf die Frage was los sei, kommt:„Ich weeeiß nicht, was ich schreeeeiben soooll!“ Auftrag an uns, dem Kind mit Rat zur Seite zur stehen. In der Zwischenzeit sind alle Kinder ins Schreiben vertieft. Zwischendurch melden sich Kinder für Fragen. „Wie schreibt man Labyrinth?“ „Muss ich hier einen Punkt setzen?“ „Ist die Geschichte gut so?“
Die ersten Kinder sind schon fertig mit ihrer Geschichte und zeigen sie mir. Ich lese sie mir durch und mache hier und da Bemerkungen zum Inhalt oder zur Grammatik. Danach kann es mit dem Schönschreiben der Geschichte ins Heft losgehen. Sind die Kinder auch damit fertig, holen sie sich für ihre Geschichte einen Sticker ab, den sie auf ihr Heft kleben. Bis die Letzten ihre Geschichte sauber abgeschrieben haben, nehmen sich die anderen Kinder Rätselblätter mit Wortschlangen oder Codes zum Knacken zur Überbrückung der Zeit. Oh, schon ist es 17.45 Uhr! Zeit fürs Vorlesen! Nein, nicht die Geschichten der Kinder. Die letzte Viertelstunde nehmen sich Julia und ich Zeit, um den Kindern eine Geschichte vorzulesen. Für viele ist dies die größte Belohnung für ihre schriftstellerischen Mühen. Die Kinder machen es sich auf ihren Stühlen bequem. Ruhe kehrt ein. Ganz entspannt lauschen sie den Worten aus ‚Gregs Tagebuch‘ bis die Kirchenglocken um 18 Uhr ertönen. Jetzt noch schnell die Tschüssrakete – Tschüss, bis nächsten Dienstag!